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Kommunikationsformen

Wenn diese Armutsviertel einerseits Brutstätten des Verbrechens sind, dann sind sie andererseits auch ergiebige Felder kultureller Produktion. Aus der Favela beziehen nicht nur Samba, Karneval und Fußball ihre ungebrochene Kraft, sondern auch HipHop, Funk und andere musikalische Genres. Theater, Tanz und Bildende Kunst experimentieren dort. Im Kino ist nicht erst mit dem in Brasilien schon legendären Film „Cidade de Deus“, ..., ein eigenes Favela-Genre entstanden, häufig mit Schauspielern aus diesen Stadtteilen.

viver (108K) Für Politiker, Ökonomen und Soziologen mag die Favela ein Alptraum sein, für Künstler ist sie eine Fundgrube. Sie ist der Blick in den Abgrund, aber auch ein Raum, den nur wildeste Vorstellungskraft zu füllen vermag. Um die Jahrtausendwende war das Thema Gewalt und Verwilderung der Großstädte derart omnipräsent, dass die Favela zum Erzählszenario per se wurde: auf die ‘Favela-Fiction‘ folgte wenig später die ‚Telenovela-Favela’ und die Schallwellen der BaileFunk-Nächte erdrücken ganz Rio. Über die Medien wurde die Favela schließlich zum weltweiten Exportschlager, der sich uns aufdrängt.
Brasilien wird schon hundert Jahre lang von der Favela durch deren kulturellen Aktivitäten mit Kunst in Bildern, Tönen, Inhalten beschert.

In allen ihren Ausdrucksformen vertraten die Künstler einheitlich ihr Thema:

- ab 1930 Meine Realität
– ab 1970 Gerechtigkeit
– ab 1980 Abhilfe schaffen
- ab 1990 Selbstvermarktung und Selbstbehauptung.

Erstaunlich dabei ist, in welch hohem Grad die unterschiedlichsten Kommunikationsmöglichkeiten verwoben sind. Ein Favelado wird Künstler-wird-Filmer-wird-Tänzer-wird-Schriftsteller-wird-Musiker-wird ... Dieses Netzwerk lebt, speist und befruchtet sich immer wieder von selbst. Brasilianisch daran ist die Art des Sich-mit-dem-Problem-Auseindersetzens: locker, humorvoll, ironisch. Wer sich da beschwert, soll doch erst mal einen Cachaça trinken. Natürlich zieht das beim Publikum und die intendierte Anklage kommt dann durch die Hintertür. Brasilien hat längst begriffen, dass der Kampf zwischen ,Kolonisierten versus Kolonisatoren‘ (Black against White) zu Ende ist. Es geht einzig und allein um die Veränderung der Realität.

Ja. Die Rache der Favela wird eine kulturelle sein. Heute hören die Töchter der Mittelklasse die Funk-Musik vom Elendshügel. Die Tochter eines Freundes von mir ist mit einem Typ aus der Favela zusammen, den sie auf einer Funkparty kennengelernt hat. Gleichzeitig gibt es in den Favelas viele Parabol-Antennen, die Jugendlichen sehen sich MTV und die Basketballspiele der NBA im Fernsehen an; dadurch entsteht eine Identifikation mit den Schwarzen in Nordamerika, die dort eine soziale Nische gefunden haben, die es in unserer Gesellschaft für sie nicht gibt.

Informationsverbreitung in Rocinha, der größten Favela Rios:

3 Radiostationen (2 davon FM) und 1 Fernsehsender
2 Zeitungen (Auflage 5.000/Monat)
1 Kanal für Lokalfernsehen
Kabelnetz, 97% der Häuser haben TV
mehr als 5.500 Handys und ca. 2.000 Festanschlüsse

Streetart
in Lapa, Rio de Janeiro

Leben in der Favela ist eine Kunst
Keiner stiehlt
Keiner gehorcht
Nichts verliert sich
Herrsche wer kann
Gehorche der der recht hat

Murilo Salles
Brasilianischer Regisseur, *1950 in Rio de Janeiro

TV ROC
http://www.tvrocinha.com/